Discussion:
"The Moon is a Harsh Mistress"
(zu alt für eine Antwort)
Stefan Ram
2023-12-31 12:07:10 UTC
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Durch verschiedene Erwähnungen im Usenet darauf aufmerksam gemacht
habe ich nun also "The Moon is a Harsh Mistress" gelesen. (Spoiler!)

Ich hatte keine Idee, was mich erwartet.

Zunächst fiel mir die Sprache auf, so ähnlich wie vielleicht
ein Russe Englisch spricht. Vielleicht kommt der Erzähler aus
einer entsprechenden Gegend oder das soll "Mond-Sprache" sein.

Es erscheint mir als vollkommen unvorstellbar, daß es
wirtschaftlich sein soll, Weizen auf dem Mond anzubauen
und dann zur Erde zu transportieren.

Allgemein glaube ich, daß die Schwierigkeiten des autonomen
Überlebens auf anderen Himmelskörpern unterschätzt werden.
Vorstellungen, daß Mond oder Mars ein Ausweichen erlauben
sollen, wenn die Erde unbewohnbar wird, erscheinen mir
als absurd. Wenn wir es nicht einmal hier schaffen, wo die
Bedinungen praktisch optimal sind, warum sollten wir es dann
woanders schaffen, wo sie praktisch tödlich sind?

Auch schwer vorstellbar, daß ein Wartungstechniker sich
plötzlich in einen überzeugten und professionell agierenden
Revolutionär verwandelt.

Das ganz kommt mir eher wie ein Märchen vor, auch die Art,
wie Mike gegen Ende des Buches plötzlich verschwindet, hat
etwas vom Dahinschwinden eines Zaubers.

Stelle ich jedoch all diese Bedenken einmal hintenan bzw.
sehe ich es als ein Märchen an, das nicht realistisch sein
muß, so ist es ein sehr spannende Lektüre, was dazu führte,
daß ich das Buch unter Sprengung meines täglichen Limits
für die Lesezeit schnell zu Ende las.
Hermann Riemann
2023-12-31 13:07:12 UTC
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Post by Stefan Ram
Es erscheint mir als vollkommen unvorstellbar, daß es
wirtschaftlich sein soll, Weizen auf dem Mond anzubauen
und dann zur Erde zu transportieren.
Vorstellen kann man sich viel.
( Spruch Papier ist geduldig. ( wie bei sf ;-) ??? ) )

Realisierung:
Man schicke Roboter auf dem Mond
die aus den dort vorhandene Materialien + Solarenergie
eine Roboterfabrik bauen.
Die Ihrerseits sich weiter vermehrt und weiteres baut.

Der Weizen wird mit solar angetriebenen railgun
zur Erde geschickt
wobei ein Hitzeschutzschild,
welches Plasma erzeugt,
welche als leitendes Material von einem Magnetfeld
eine bremsende Gegenspannung erzeugt.
( Da lacht der Physiker und zückt vielleicht seinen Rechenstab. )

Fortsetzung:

Wenn sich aufgrund der Weizenlieferung
die Menschheit entsprechend vermehrt hat
gehe die Rohstoffe auf den Mond aus,
und die Menschheit betet um Essen
und träumt von Reisen nach alpha Centauri.
( Und interstellarem Nachschub,
was Astrophysiker zu neuen Bahnberechnungen animiert. )

..
--
<http://www.hermann-riemann.de>
HC Ahlmann
2023-12-31 14:06:17 UTC
Permalink
Post by Hermann Riemann
Post by Stefan Ram
Es erscheint mir als vollkommen unvorstellbar, daß es
wirtschaftlich sein soll, Weizen auf dem Mond anzubauen
und dann zur Erde zu transportieren.
Vorstellen kann man sich viel.
( Spruch Papier ist geduldig. ( wie bei sf ;-) ??? ) )
Man schicke Roboter auf dem Mond
die aus den dort vorhandene Materialien + Solarenergie
eine Roboterfabrik bauen.
Die Ihrerseits sich weiter vermehrt und weiteres baut.
Der Weizen wird mit solar angetriebenen railgun
zur Erde geschickt
wobei ein Hitzeschutzschild,
welches Plasma erzeugt,
welche als leitendes Material von einem Magnetfeld
eine bremsende Gegenspannung erzeugt.
( Da lacht der Physiker und zückt vielleicht seinen Rechenstab. )
Wenn sich aufgrund der Weizenlieferung
die Menschheit entsprechend vermehrt hat
gehe die Rohstoffe auf den Mond aus,
und die Menschheit betet um Essen
und träumt von Reisen nach alpha Centauri.
( Und interstellarem Nachschub,
was Astrophysiker zu neuen Bahnberechnungen animiert. )
Der Transport zur Erde ist ein späterer Schritt.
Woraus soll der Weizen wachsen? Woher kommt vor allem der Kohlenstoff
(neben den anderen nötigen Elementen in passender Aufbereitung als
Substrat, in dem der Weizen wurzelt)?
--
Munterbleiben
HC
Hermann Riemann
2023-12-31 15:08:38 UTC
Permalink
Post by HC Ahlmann
Post by Hermann Riemann
Post by Stefan Ram
Es erscheint mir als vollkommen unvorstellbar, daß es
wirtschaftlich sein soll, Weizen auf dem Mond anzubauen
und dann zur Erde zu transportieren.
Vorstellen kann man sich viel.
( Spruch Papier ist geduldig. ( wie bei sf ;-) ??? ) )
Man schicke Roboter auf dem Mond
die aus den dort vorhandene Materialien + Solarenergie
eine Roboterfabrik bauen.
Die Ihrerseits sich weiter vermehrt und weiteres baut.
Der Weizen wird mit solar angetriebenen railgun
zur Erde geschickt
wobei ein Hitzeschutzschild,
welches Plasma erzeugt,
welche als leitendes Material von einem Magnetfeld
eine bremsende Gegenspannung erzeugt.
( Da lacht der Physiker und zückt vielleicht seinen Rechenstab. )
Wenn sich aufgrund der Weizenlieferung
die Menschheit entsprechend vermehrt hat
gehe die Rohstoffe auf den Mond aus,
und die Menschheit betet um Essen
und träumt von Reisen nach alpha Centauri.
( Und interstellarem Nachschub,
was Astrophysiker zu neuen Bahnberechnungen animiert. )
Der Transport zur Erde ist ein späterer Schritt.
Woraus soll der Weizen wachsen? Woher kommt vor allem der Kohlenstoff
In Polarnähe soll Kohlenstoff nahe der Oberfläche existieren.
Da Mond aus der Kollison mit dem oberen Erdschichten entstanden sein
soll, und Vulkanasche oft besonders fruchtbar sein soll,
und Bergbau nicht so von Hitze gestört wird, wie auf der Erde..

Also Solarzellen an der Oberfläche
und Agrofarming im inneren.
Die Pflanzen können wegen anderer Gravitation vielleicht 6 mal so hoch
wachsen.

( Und Spinnen etc auch viel größer werden. )
--
<http://www.hermann-riemann.de>
Thomas Koenig
2023-12-31 15:31:52 UTC
Permalink
Post by Stefan Ram
Durch verschiedene Erwähnungen im Usenet darauf aufmerksam gemacht
habe ich nun also "The Moon is a Harsh Mistress" gelesen. (Spoiler!)
Ich hatte keine Idee, was mich erwartet.
Zunächst fiel mir die Sprache auf, so ähnlich wie vielleicht
ein Russe Englisch spricht. Vielleicht kommt der Erzähler aus
einer entsprechenden Gegend oder das soll "Mond-Sprache" sein.
Vermutlich letzeres. Die Sprache ein bisschen zu verfremden, ist
ein in SF tatsächlich relativ wenig eingesetztes Stilmittel.
Spontan fallen mir nur eine Story von Brin ein ("greatdepression")
und "Feersum Endjinn", aber da hat Banks es übertrieben - die
phonetischen Kapitel konnte ich einfach nicht lesen.
Post by Stefan Ram
Es erscheint mir als vollkommen unvorstellbar, daß es
wirtschaftlich sein soll, Weizen auf dem Mond anzubauen
und dann zur Erde zu transportieren.
Kohlenstoff und Wasserstoff. Beides in Kometen reichlich vorhanden,
auf dem Mond weniger.

Aber man darf auch nicht vergessen: das Buch ist von 1966.
Man sollte vielleicht ein bisschen Abstriche machen - damals
hatte der Mars in der SF typischerweise noch eine (mehr oder
weniger) atembare Atmosphäre und Marsbewohner. (Die Ergebnisse
der Mariner-Sonden hatten sich erst später rumgesprochen).
Post by Stefan Ram
Allgemein glaube ich, daß die Schwierigkeiten des autonomen
Überlebens auf anderen Himmelskörpern unterschätzt werden.
Von vielen vermutlich, von mir (möglicherweise nicht :-)

Das Hauptproblem sehe ich darin, dass die technische Komplexität,
die zum Überleben nötig ist, nur durch ein großes und
weitverzweigtes Lieferkettennetz zu erhalten ist. Mein
Lieblingsbeispiel ist ein ölbeständiger Dichtungsring aus NBR,
dessen Monomere (Butadien und Acrylnitril) eine weit zurückverzweigte
Chemie erfordern, aber damit hat man noch keine Additive...

Und wenn man sich die Pläne eines Raumanzuges anschaut, ist
der erst recht höllisch kompliziert.

Pournelle hat mal probiert, eine solche Story zu schreiben,
wo sich eine Asteoriden-Kolonie faktisch unabhängig gemacht hat,
aber auch er hat das deutlich unterschätzt. Die kritische
Ressource war bei ihm, IIRC, Kupferdraht.
Post by Stefan Ram
Vorstellungen, daß Mond oder Mars ein Ausweichen erlauben
sollen, wenn die Erde unbewohnbar wird, erscheinen mir
als absurd. Wenn wir es nicht einmal hier schaffen, wo die
Bedinungen praktisch optimal sind, warum sollten wir es dann
woanders schaffen, wo sie praktisch tödlich sind?
Ist auf jeden Fall deutlich schwieriger.
Post by Stefan Ram
Auch schwer vorstellbar, daß ein Wartungstechniker sich
plötzlich in einen überzeugten und professionell agierenden
Revolutionär verwandelt.
Das wiederum finde ich eher verständlich. Der Mond ist in
Heinleins Roman von TANSTAAFL geprägt, und daraus erwächst
dann die Revolution.
Post by Stefan Ram
Das ganz kommt mir eher wie ein Märchen vor, auch die Art,
wie Mike gegen Ende des Buches plötzlich verschwindet, hat
etwas vom Dahinschwinden eines Zaubers.
Ein nicht ganz realistischer SF? Hm, wenn man das ausschließt,
dann wären meine Regale ganz schön leer :-)
Post by Stefan Ram
Stelle ich jedoch all diese Bedenken einmal hintenan bzw.
sehe ich es als ein Märchen an, das nicht realistisch sein
muß, so ist es ein sehr spannende Lektüre, was dazu führte,
daß ich das Buch unter Sprengung meines täglichen Limits
für die Lesezeit schnell zu Ende las.
Heinlein konnte exzellent schreiben, das hat er in vielen Büchern
bewiesen - von "Starship Troopers" bis zu "Stranger in a Strange
Land", wobei es schwer ist, zu glauben, dass die beiden Bücher
von einem Autor stammen :-)
Christian Weisgerber
2023-12-31 18:36:58 UTC
Permalink
Post by Thomas Koenig
Post by Stefan Ram
Zunächst fiel mir die Sprache auf, so ähnlich wie vielleicht
ein Russe Englisch spricht. Vielleicht kommt der Erzähler aus
einer entsprechenden Gegend oder das soll "Mond-Sprache" sein.
Vermutlich letzeres. Die Sprache ein bisschen zu verfremden, ist
ein in SF tatsächlich relativ wenig eingesetztes Stilmittel.
Ich weiß gar nicht mehr, ob es im Text selbst ausgesprochen wird
oder ob man sich einfach denken kann, dass dieser Monddialekt vom
Russischen beeinflusst ist. Heinlein macht das meisterlich, im
Wesentlichen durch teilweises Weglassen von Artikeln, aber ohne,
dass es irritiert. Das wird viel zu wenig gewürdigt.

Im gerade vier Jahre davor veröffentlichten _A Clockwork Orange_
mischt Anthony Burgess auch Russisch in die Jugendsprache. Muss
damals so eine Idee gewesen sein.
Post by Thomas Koenig
Spontan fallen mir nur eine Story von Brin ein ("greatdepression")
und "Feersum Endjinn", aber da hat Banks es übertrieben - die
phonetischen Kapitel konnte ich einfach nicht lesen.
In _Feersum Endjinn_ ist ja eigentlich nur die Rechtschreibung eine
andere. Gut, Bascules Aussprache ist Arbeiterklasse, aber das
irritiert nur sporadisch (teilweise /f/ für /θ/ knirscht bei mir).
Wer beim Lesen subvokalisiert, der kommt damit klar, wer das nicht
macht, hat in der Tat ein Problem.

Banks hat dieses Stilmittel in geringerem Umfang auch in seinem
Phantastik-aber-Mainstream-Roman _The Bridge_ verwendet; dort hat
der Barbar aber nicht nur eine abweichende Rechtschreibung, sondern
auch einen ausgeprägten schottischen Akzent, *ächz*.
Post by Thomas Koenig
Heinlein konnte exzellent schreiben, das hat er in vielen Büchern
bewiesen - von "Starship Troopers" bis zu "Stranger in a Strange
Land", wobei es schwer ist, zu glauben, dass die beiden Bücher
von einem Autor stammen :-)
Die amerikanischen Leser scheinen _TMIaHM_ unweigerlich als Parallele
zur Amerikanischen Revolution zu sehen, ohne auf die Idee zu kommen,
das man da auch Parallelen zu, äh, rote Fahnen schwingenden
Revolutionen des 20. Jahrhunderts ziehen könnte.
--
Christian "naddy" Weisgerber ***@mips.inka.de
Thomas Koenig
2024-01-01 01:21:25 UTC
Permalink
Post by Christian Weisgerber
Die amerikanischen Leser scheinen _TMIaHM_ unweigerlich als Parallele
zur Amerikanischen Revolution zu sehen, ohne auf die Idee zu kommen,
das man da auch Parallelen zu, äh, rote Fahnen schwingenden
Revolutionen des 20. Jahrhunderts ziehen könnte.
There Ain't No Such Thing As A Free Lunch war ja auch nicht
wirklich das Motto der Bolschewiken :-)

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